Eine Raum- und Videoinstallation zum Thema <<Überwachung>> im digitalen Zeitalter.
Saaltext von Adrian Dürrwang , Kunsthistoriker
Die Ausstellung >IN CHARGE< der Berner Künstlerin Anouk Sebald (*1971) präsentiert das Ergebnis einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem drängenden Thema «Überwachung». Dabei reflektiert sie in einer vielschichtigen Rauminstallation die brüchig-gewordene Vorstellung des Privaten und Öffentlichen.
Ende der Achtzigerjahre durch die «Fichenaffäre» politisiert, kreist die künstlerische Arbeit von Anouk Sebald seit 1995 um Fragen der Konstruktion von Identitäten in persönlichen aber auch politischen Kontexten. Das neue Nachrichtendienstgesetz, das im September 2017 in Kraft getreten ist, war der Auslöser für ein erneutes Eintauchen in die Thematik mittels einer eigenen Recherche. Der glückliche Zufall wollte es, dass ein zehnmonatiger Atelieraufenthalt im zwischengenutzten Schloss «Schadau» in Thun die ungestörte Vertiefung in das Thema ermöglichte. Fokussiert an diesem Rückzugsort, in einem Zimmer, das wie aus der Zeit gefallen anmutet, verlor sich die Künstlerin gemäss eigenen Angaben während der Ausstellungsvorbereitung paradoxerweise fast in der verfügbaren Flut von Informationen. Angesichts der erdrückenden Fülle entschied sie sich bewusst zu einem
dezidiert subjektiven Ansatz als künstlerische Strategie, um mit dem Material umzugehen. Dabei verschob sich der Fokus vom abstrakten Gegensatz von «Überwachung» und «Privatsphäre» zu persönlicheren Begriffspaaren, wie etwa «Beobachtung» und «Geborgenheit». In ihrer Installation >IN CHARGE< lotet sie bewusst die Nuancen zwischen solchen Polen aus und offenbart Zwischenstufen, welche den heutigen Alltag kennzeichnen. Die komplexe Installation arrangiert die Künstlerin leitmotivisch um das Auge als doppeltes Symbol: Es steht einerseits im übertragenen Sinn sprichwörtlich als Spiegel für die Seele, ermöglicht aber als Organ auch den gezielten Blick auf das Umfeld und die Nachbarschaft. Augen stellen in der Installation auf das Fenster projiziert einerseits ganz praktisch den Bezug zwischen Ausstellungstraum und Strasse her. Sie bilden andererseits auch die übergreifende Klammer der vielen Fotos und Zeichnungen, die collageartig an den Wänden des Häuschens angebracht sind. Als Gegenpol zur Projektion auf der Scheibe funktioniert im Ausstellungsraum das fast lebens-grosse Foto eines jungen schlafenden Paares im Bett. Wobei der Blick der Künstlerin eher liebevoll, denn kalt und voyeuristisch erscheint.
Es zeichnet die Installation aus, dass eher eine geheimnisvolle als eine bedrückende Stimmung aufkommt, auch wenn die «Überwachung» durch Zeitungsartikel oder im Raum ausformulierte Sätze stets präsent ist. Zum rätselhaften Eindruck tragen die gezeigten Fotos von Durchblicken, leeren Architekturen und verlassenen Gärten bei, wie ebenfalls die gezeichneten Tiere. Zwar sind diese teil-weise schon einer Erfassung mittels Raster zum Opfer gefallen, das einem Spinnennetz ähnlich ihren Körper gefangen hält. Doch bleibt ihre unbekannte Bedeutung reizvoll. So wie der Status der gezeigten Köpfe, die durch Kapuzen, Leerstellen oder Übermalungen anonymisiert werden, nicht zu entschlüsseln ist. Nur die Künstlerin tritt in einem Fotoportrait, das ebenfalls Überzeichnungen zeigt, die an Gesichtserkennung wie auch archaische Tätowierungen erinnern, direkt in Erscheinung. Anouk Sebald stellt dem Besucher, der Besucherin quasi persönlich Fragen, etwa: «Was wird durch diese Kontrolle vorenthalten, was wird wegsortiert?» Sie zielt auf jeden Einzelnen, der in seinem Alltag längst Informationen preisgibt und Einblicke in sein Leben ermöglicht, wie es noch vor zwanzig Jahren undenkbar gewesen wäre. Grenzen zerfliessen. Längst hat sich verändert, was wir als “privat“ verstehen, und das Verhältnis zu unserem Umfeld wandelt sich rasant. Stellen diese durch die aktuellen Veränderungen unscharf gewordenen Grenzen nicht gar das in Frage, was wir traditionell als unser «Selbst» wahrnehmen?
Die Ausstellung >IN CHARGE< der Berner Künstlerin Anouk Sebald (*1971) präsentiert das Ergebnis einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem drängenden Thema «Überwachung». Dabei reflektiert sie in einer vielschichtigen Rauminstallation die brüchig-gewordene Vorstellung des Privaten und Öffentlichen.
Ende der Achtzigerjahre durch die «Fichenaffäre» politisiert, kreist die künstlerische Arbeit von Anouk Sebald seit 1995 um Fragen der Konstruktion von Identitäten in persönlichen aber auch politischen Kontexten. Das neue Nachrichtendienstgesetz, das im September 2017 in Kraft getreten ist, war der Auslöser für ein erneutes Eintauchen in die Thematik mittels einer eigenen Recherche. Der glückliche Zufall wollte es, dass ein zehnmonatiger Atelieraufenthalt im zwischengenutzten Schloss «Schadau» in Thun die ungestörte Vertiefung in das Thema ermöglichte. Fokussiert an diesem Rückzugsort, in einem Zimmer, das wie aus der Zeit gefallen anmutet, verlor sich die Künstlerin gemäss eigenen Angaben während der Ausstellungsvorbereitung paradoxerweise fast in der verfügbaren Flut von Informationen. Angesichts der erdrückenden Fülle entschied sie sich bewusst zu einem
dezidiert subjektiven Ansatz als künstlerische Strategie, um mit dem Material umzugehen. Dabei verschob sich der Fokus vom abstrakten Gegensatz von «Überwachung» und «Privatsphäre» zu persönlicheren Begriffspaaren, wie etwa «Beobachtung» und «Geborgenheit». In ihrer Installation >IN CHARGE< lotet sie bewusst die Nuancen zwischen solchen Polen aus und offenbart Zwischenstufen, welche den heutigen Alltag kennzeichnen. Die komplexe Installation arrangiert die Künstlerin leitmotivisch um das Auge als doppeltes Symbol: Es steht einerseits im übertragenen Sinn sprichwörtlich als Spiegel für die Seele, ermöglicht aber als Organ auch den gezielten Blick auf das Umfeld und die Nachbarschaft. Augen stellen in der Installation auf das Fenster projiziert einerseits ganz praktisch den Bezug zwischen Ausstellungstraum und Strasse her. Sie bilden andererseits auch die übergreifende Klammer der vielen Fotos und Zeichnungen, die collageartig an den Wänden des Häuschens angebracht sind. Als Gegenpol zur Projektion auf der Scheibe funktioniert im Ausstellungsraum das fast lebens-grosse Foto eines jungen schlafenden Paares im Bett. Wobei der Blick der Künstlerin eher liebevoll, denn kalt und voyeuristisch erscheint.
Es zeichnet die Installation aus, dass eher eine geheimnisvolle als eine bedrückende Stimmung aufkommt, auch wenn die «Überwachung» durch Zeitungsartikel oder im Raum ausformulierte Sätze stets präsent ist. Zum rätselhaften Eindruck tragen die gezeigten Fotos von Durchblicken, leeren Architekturen und verlassenen Gärten bei, wie ebenfalls die gezeichneten Tiere. Zwar sind diese teil-weise schon einer Erfassung mittels Raster zum Opfer gefallen, das einem Spinnennetz ähnlich ihren Körper gefangen hält. Doch bleibt ihre unbekannte Bedeutung reizvoll. So wie der Status der gezeigten Köpfe, die durch Kapuzen, Leerstellen oder Übermalungen anonymisiert werden, nicht zu entschlüsseln ist. Nur die Künstlerin tritt in einem Fotoportrait, das ebenfalls Überzeichnungen zeigt, die an Gesichtserkennung wie auch archaische Tätowierungen erinnern, direkt in Erscheinung. Anouk Sebald stellt dem Besucher, der Besucherin quasi persönlich Fragen, etwa: «Was wird durch diese Kontrolle vorenthalten, was wird wegsortiert?» Sie zielt auf jeden Einzelnen, der in seinem Alltag längst Informationen preisgibt und Einblicke in sein Leben ermöglicht, wie es noch vor zwanzig Jahren undenkbar gewesen wäre. Grenzen zerfliessen. Längst hat sich verändert, was wir als “privat“ verstehen, und das Verhältnis zu unserem Umfeld wandelt sich rasant. Stellen diese durch die aktuellen Veränderungen unscharf gewordenen Grenzen nicht gar das in Frage, was wir traditionell als unser «Selbst» wahrnehmen?